Kanalsystem in Obermenzing
Bürgervereinigung fordert Einwohnerversammlung
Seit mehreren Monaten klagen Anwohner der Pippinger Straße und verschiedener Seitenstraßen über eine offensichtliche Überlastung des Kanalsystems und in Folge davon zunehmender Überschwemmungen der Keller der anliegenden Häuser. Die Überlastung, so die Vermutung der Anwohner, wurde hervorgerufen durch zahlreiche Neubauten, die an das System in der jüngeren Vergangenheit angeschlossen wurden, ohne die Kapazität der Abwasserleitungen zu erhöhen.
Artikel aus dem Blutenburger Kurier Nr. 71, Oktober 2005:
Verdruss mit dem Kanalnetz -
Nord-West-Sammler ab 2007 fertig
Mehrfach beklagten bereits im Jahr 2004 insbesondere Anwohner der Pippinger Straße, Betzenweg, Longinusstraße und An der Würm sowie umliegender Straßen Überschwemmungen ihrer Häuser durch starke Regenfälle und machten hierfür ein nicht ausreichend dimensioniertes Kanalnetz verantwortlich. Auf Initiative der Bürgervereinigung Obermenzing veranstalteten Stadt und Bezirksausschuss am 9. Mai eine Einwohnerversammlung zur Information der Bürger.
Bei jedem stärkeren Regen, so lautet die Klage vieler Obermenzinger Haushalte, steht der Keller unter Wasser. Hildegard Plantsch, wohnhaft an der Pippinger Straße, musste ihren Keller bereits mehrfach auspumpen lassen und ihr Nachbar, Unternehmer Karlheinz Pilz, fühlte sich von der Stadt regelrecht „im Stich gelassen“ bei der Bewältigung eines erheblichen Betriebsschadens. Neben ihnen warfen im vergangenen Jahr zahlreiche Bürger der Stadt Nachlässigkeit vor, da nach ihrer Auffassung immer mehr Haus-halte an ein viel zu klein dimensioniertes Kanalnetz angeschlossen werden. Anträge der Anwohner in Bürgerversammlungen wurden gar nicht oder nur unbefriedigend beantwortet.
Nachdem sich Hildegard Plantsch Ende 2004 schließlich an den Vorsitzenden der Bürgervereinigung wandte, richtete dieser ein Schreiben mit ausführlicher Darstellung der Rechtslage und der Pflichten der Stadt an Baureferentin Rosemarie Hingerl. Hierauf signalisierte Hingerl Anfang März die Bereitschaft zur Durchführung einer Informationsveranstaltung gemeinsam mit dem Bezirksausschuss. Diese Veranstaltung fand schließlich am 9. Mai im Saal des Alten Wirts statt.
Baudirektor Robert Schmidt, Klärwerksleiter bei den Stadtentwässerungswerken erläuterte zunächst die Situation: Die betroffenen Straßenzüge befinden sich in einer Muldenlage. Das 1984 in Betrieb genommene Regenwasserrückhaltebecken am Bertha-von-Suttner-Weg habe mit einem Volumen von 10.000 m3 die Situation wesentlich entschärft. Es nimmt bei starken Regenfällen zwar entsprechende Spitzen weg, „eine wirkliche Sicherheit gibt es jedoch nicht“. 2002 sei ein Katastrophenregen gewesen, der nur alle hundert Jahre vorkomme. Für derartige Situationen könne man nicht vorsorgen. Der bestehende Entwässerungskomfort sei nach dem Stand der Technik richtig. Funktionsfähige Rückstauverschlüsse und Hebeanlagen in den Häusern seien die einzige Möglichkeit, die Sicherheit vor Schadensereignissen zu erhöhen.
Bei künftigen Bauvorhaben, so fügte Karl Gaeffgen von der Gesamtentwässerungsplanung an, dürfe Regenwasser zudem nicht mehr in den Kanal eingeleitet werden sondern muss gesondert versickert werden. Dies bedeute eine Entlastung der Kanäle. Zudem werde das Münchner Kanalnetz weiter ausgebaut. Rund 1,6 km des neuen Nord-West-Sammlers fehlen zwischen den derzeitigen Endpunkten in Allach und Feldmoching noch. Wenn dieser fertig gestellt ist, werden die Kanäle von Obermenzing, die aktuell nach Osten abgeleitet werden, dort angeschlossen, was eine deutliche Entlastung mit sich bringen soll. Den anwesenden Bürgern boten die Vertreter der Stadtentwässerungswerke nach längerer Diskussion mit den anwesenden Bürgern an, dass auf Wunsch ein Kontrollmeister individuell und kostenlos die Anwesen ansehen werde, um entsprechende Empfehlungen zur Vorsorge zu erteilen.
Die Finanzierung des restlichen Teilstücks des Nord-West-Sammlers in Höhe von rund 25 Millionen Euro ist nach Auskunft von Gaeffgen bereits gesichert. Sofern keine Verzögerungen beim Grunderwerb oder unvorhersehbaren baulichen Schwierigkeiten auftreten, könne der Kanal voraussichtlich bis 2007 fertig gestellt sein. Dies stelle jedoch die „zeitlich kürzeste Lösung“ dar.
Sollten künftig wieder kritische Situationen bei starken Regenfällen auftreten, so bittet Baureferentin Hingerl in ihrem Schreiben an die Bürgervereinigung um „genaue Angaben von Zeitpunkt, Ort und Umfang“. „Damit“, so Hingerl, „können die im Kanalnetz ablaufenden Prozesse simuliert werden und Lösungsmöglichkeiten zur weiteren Verbesserung entwickelt werden.“
Frieder Vogelsgesang
(1. Februar 2005)
Der Bezirksausschuss stimmt einstimmig der Beschlussvorlage der Münchner Stadtentwässerung zu. (Wortlaut siehe unten)
(18. Januar 2005)
Der Vorsitzende der Bürgervereinigung fordert in einem Schreiben vom 18. Januar 2005 an Baureferentin Rosemarie Hingerl die Abhaltung einer Einwohnerversammlung.
Überflutung von Kellern im Bereich Bergson-, Verdi,
Pippinger Straße und Betzenweg
Sehr geehrte Frau Hingerl,
ich möchte mich heute mit einem Thema an Sie wenden, das schon seit mehreren Monaten im Münchner Westen Anlass zu Diskussionen gibt und auch im Rahmen unserer Mitgliederversammlung im vergangenen Jahr angesprochen wurde. Da sich in der Angelegenheit bisher keine Ergebnisse gezeigt haben, wurde ich in den vergangenen Wochen verstärkt durch Mitglieder unserer Vereinigung persönlich um Vermittlung gebeten.
Die Bürgervereinigung Obermenzing ist mit rund 1.500 Mitgliedern die wohl größte unabhängige Bürgervereinigung Münchens und setzt sich seit ihrer Gründung im Jahre 1951 für die Belange der Obermenzinger Bürgerinnen und Bürger ein. Wir arbeiten hierbei in engem Kontakt mit örtlichen Mandatsträgern und dem zuständigen Bezirksausschuss.
In der Bürgersprechstunde des Bezirksausschusses Pasing-Obermenzing gab unser Mitglied Hildegard Plantsch am 30.3.2004 eine Liste mit Unterschriften von 89 Bürgern aus dem Bereich der o.g. Straße ab, die befürchten, dass zum wiederholten Mal Wasser und - wie mir berichtet wurde - auch Fäkalien über das Kanalsystem in Keller und Wohnungen gelangen. Die Landeshauptstadt wurde gebeten, Abhilfe zu schaffen. Der BA 21 fasste einstimmig den Beschluss, den Antrag mit Bitte um Prüfung und Stellungnahme weiter zu reichen.
Nachdem Frau Plantsch bis Oktober 2004 keine Antwort erhalten hatte, stellte Sie in der Bürgerversammlung am 21.10.2004 erneut einen Antrag. Zwar liegt Frau Plantsch und verschiedenen anderen betroffenen Bürgern weiterhin bis heute keine offizielle Stellungnahme der Stadt vor, dem Bezirksausschuss wurde mittlerweile jedoch eine Beschlussvorlage zugesandt. In dieser Vorlage wird vermutet, dass die Antragstellerin sich auf das Regenereignis vom 18.5.2002 bezieht. Den betroffenen Anwohnern geht es jedoch nicht nur um dieses einmalige Ereignis. Vielmehr sind Schäden durch überlaufende Kanäle in den vergangenen Jahren öfter aufgetreten. Über entsprechende Rückstauverschlüsse verfügen die Anwesen, so wurde mir versichert. Die Anwohner vermuten, dass das Kanalsystem insgesamt überlastet ist. Leider hat sich der Verfasser der Beschlussvorlage über die Hintergründe des in der Tat nur kurz formulierten Antrages offensichtlich nicht ausreichend kundig gemacht. Bei der Bürgerversammlung am 21. Oktober 2004, in welcher der Antrag einstimmig verabschiedet wurde, zeigte sich, dass von der Problematik auch Bürger über das genannte Gebiet hinaus betroffen sind.
Gemäß §2 Absatz 1 Satz 1 Haftpflichtgesetz ist die Stadt München zu Schadensersatz von Schäden aus Wirkungen von Rohrleitungsanlagen verpflichtet. Dies gilt nach geltender Rechtsprechung natürlich nicht für einen Jahrhundertregen, das ist soweit bekannt. Die Anwohner vermuten jedoch vielmehr, dass die regelmäßig zu beklagenden Schäden von einer zu geringen Dimensionierung abzuleiten sind.
Die Sammlung und Beseitigung der Abwässer obliegt der Gemeinde als hoheitliche Aufgabe. Für Fehler bei Planung, Herstellung und Betrieb einer solchen Anlage, die nicht nur dem allgemeinen Interesse dient, sondern auch die Anlieger und Nutzer im Rahmen des Zumutbaren vor Überschwemmungsschäden schützen soll, hat die Gemeinde daher nach Amtshaftungsgrundsätzen einzustehen. Ich nehme hier Bezug auf ein BGH-Urteil vom 18.2.1999 (III ZR 272/96). Die Gemeinde muss hiernach Wohngrundstücke vor den Gefahren schützen, die durch Überschwemmungen ausgehen, wobei nicht auf den einjährigen Berechnungsregen abgestellt werden kann, da es unzumutbar ist, einmal im Jahr eine Überschwemmung hinzunehmen.
Für ebenso unzumutbar halte ich allerdings die Überlegung in der Beschlussvorlage, alle zwei Jahre eine Überschwemmung hinnehmen zu sollen. So zumindest interpretiere ich die Vorlage.
Auf die Frage der tatsächlich vorhandenen Dimensionierung des Kanalsystems wird in der Beschlussvorlage nicht näher eingegangen. Auch wurde mir von Mitgliedern unserer Vereinigung berichtet, dass in vergangenen Jahren Gullideckel durch hohen Druck angehoben worden sind und als Gegenmaßnahme seitens der Stadt nun entsprechend befestigt wurden. Dies habe jedoch zur Folge gehabt, dass sich der Druck in den Wohnanwesen nur entsprechend erhöht habe, da er über die Gullideckel nicht mehr entweichen konnte. Auch über diesen Sachverhalt wird in der Beschlussvorlage keine Aussage getroffen.
Sehr geehrte Frau Hingerl,
ich kann den Sachverhalt nicht wirklich beurteilen, nehme jedoch die Besorgnisse zahlreicher unserer Mitglieder sehr ernst. Die Antwort aus Ihrem Hause in Form der Beschlussvorlage kann hier nicht zufrieden stellen. Ich möchte Sie daher bitten, gemeinsam mit dem Bezirksausschuss eine Informationsveranstaltung vor Ort durchzuführen, bei der alle Sorgen der Bürger offen angesprochen und beantwortet werden. Ich würde mich freuen, bei unserer diesjährigen Mitgliederversammlung über einen positiven Fortgang in dieser Angelegenheit berichten zu können.
Ich darf mich für Ihre Unterstützung heute schon bedanken
und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Frieder Vogelsgesang
Vorsitzender
Abdruck des Schreibens ging an den Bezirksausschuss, die Stadträte Stock, Sabathil und Müller sowie Frau Plantsch, Antragstellerin.
(11. Januar 2005)
Der Bezirksausschuss verweist die Beschlussvorlage der Münchner Stadtentwässerung zur Beratung in den Unterausschuss Planung.
(Anfang Januar 2005)
Die Münchner Stadtentwässerung legt dem Bezirksausschuss einen Beschlussvorlage mit nachfolgendem Wortlaut vor:
I. Vortrag der Referentin
Die Bürgerversammlung des 21. Stadtbezirkes Pasing-Obermenzing, Bezirksteil Obermenzing, hat am 21.10.04 die anliegende Empfehlung beschlossen, wonach auf einen Antrag in der Bürgersprechstunde des Bezirksausschusses vom 30.03.2004 verwiesen wird. Dieser beinhaltete die Sorge der Obermenzinger Bürger, dass aus Kellergullys, Toiletten, Küchensyphons das Wasser aus dem Kanalsystem in Keller und Wohnungen gelangen könne.
Die Landeshauptstadt München wurde aufgefordert, Abhilfe zu schaffen und den Bürgern die Ursachen aufzuzeigen.
Mit Schreiben vom 04.05.2004 an den Bezirksausschussvorsitzenden, Herrn Ellmaier, wurde bereits erläutert, dass seitens der Münchner Stadtentwässerung vermutet wird, dass die Antragstellerin sich auf das extreme Regenereignis vom 18.05.2002 bezieht.
Hierbei handelt es sich nach dem Gutachten des Deutschen Wetterdienstes um ein Niederschlagsereignis, das ca. einmal in hundert Jahren auftritt.
Für solche extrem seltenen Ereignisse könnten Kanalisationsanlagen - wenn technisch überhaupt möglich - nur mit immensem Aufwand ausgelegt werden. Die Auswirkungen auf die Münchner Entwässerungsgebühren wären gravierend. Hier ist der kommunalen Daseinsvorsorge - die Münchner Stadtentwässerung gehört dazu - vom Gesetzgeber ein enger Rahmen gesteckt. Die allgemein anerkannten Regeln der Technik besagen, dass das Kanalnetz in Obermenzing mindestens auf so starke Regenereignisse ausgelegt sein muss, die statistisch gesehen höchstens einmal in zwei Jahren auftreten. Als zulässige Rückstauebene gilt dabei die Straßenoberkante.
Jeder Bürger ist verpflichtet, sich mit einem funktionierenden Rückstauverschluss gegen Überflutung der Keller zu schützen. Hierzu erhält der Bezirksausschuss zur Information der Anwohner nochmals das Merkblatt über den Einbau von Rückstausicherungen.
Die Anwesen in der Pippinger-, Longinusstraße, An der Würm und Betzenweg (in anliegendem Plan dunkel gekennzeichnet) befinden sich in einer für München außergewöhnlichen Muldenlage. Die städt. Entwässerungssatzung lässt in einem solchen Sonderfall die Festsetzung einer höheren Rückstauebene durch die MSE zu.
Es ist beabsichtigt, für die betroffenen Grundstücke (in anliegendem Plan dunkel gekennzeichnet) die Rückstauebene höher als die Straßenoberkante festzusetzen. Wenn die Rückstauebene angehoben wird, beteiligt sich die Münchner Stadtentwässerung zu 50% an den Planungs- und Baukosten für die zur Rückstausicherung erforderlichen Abwasserpumpen (Hebeanlagen), durch welche die Anwesen auch bei extremen Ereignissen wie z.B. im Mai 2002 gegen Abwasseraustritte geschützt sind.
Die Anlieger werden schriftlich über die Festsetzung, die Möglichkeit und Voraussetzungen der Kostenbeteiligung informiert.
Außerdem haben bereits Mitarbeiter der Münchner Stadtentwässerung mit den Anliegern Kontakt aufgenommen.
Der Korreferent des Baureferates und Verwaltungsbeirat der Münchner Stadtentwässerung, Herr Stadtrat Reissl, hat einen Abdruck der Beschlussvorlage erhalten.
II. Antrag der Referentin
1. Von der Sachbehandlung - laufende Angelegenheit (§22 Geschäftsordnung) - wird Kenntnis genommen. Der Empfehlung Nr. 56 der Bürgerversammlung des 21. Stadtbezirkes Pasing-Obermenzing, Bezirksteil Obermenzing, zur Information der Bürger und Verbesserung der Rückstausicherung ist damit entsprochen worden.
2. Die Empfehlung Nr. 56 der Bürgerversammlung des 21. Stadtbezirkes Pasing-Obermenzing, Bezirksteil Obermenzing, am 21.10. 2004 ist damit gemäß Art. 118 Absatz 4 Gemeindeordnung behandelt.
III. Beschluss
...
(21. Oktober 2004)
Die Bürgerversammlung Obermenzing stimmt dem Antrag von Frau Hildegard Plantsch einstimmig zu. Frau Plantsch beantragt im mündlichen Vortrag, das Kanalsystem so umzurüsten, dass kein Wasser austritt.
(24. Juni 2004)
Karlheinz Pilz klagt in der Bürgerversammlung in Pasing über das Abwassersystem im Bereich der Pippinger Straße und fordert eine Stellungnahme zu den Vorkommnissen.
(30. März 2004)
Hildegard Plantsch, Anwohnerin der Pippinger Straße, übergibt in der Sitzung des Bezirksausschusses eine Liste mit 89 Unterschriften von Anwohnern, die "auf das Äußerste besorgt" sind, "dass im Frühjahr erneut aus Kellergullis, Toiletten, Küchensyphons das Wasser aus dem Kanalsystem in ihre Keller und Wohnungen gelangt." Die Anwohner beantragen, die Stadt München aufzufordern, Abhilfe zu schaffen.
Der Bezirksausschuss leitet den Antrag zur Beantwortung und Stellungnahme an das Baureferat.